Winter-, Ganzjahres- und Sommerreifen im Vergleich

    Auch wenn in der Übergangszeit das Thermometer mancherorts in den 2-stelligen Bereich klettert, so kann es nachts schnell wieder in den Keller fallen. Das bedeutet Nachtfrost und, besonders im Bereich von Brücken, überfrierende Nässe. Dies kann zu Fahrsituationen führen, mit denen Sommerreifen überfordert sind. Welf Stankowitz vom Deutschen Verkehrssicherheitsrat (DVR) weiß, warum das so ist:

    Welf Stankowitz: Sommerreifen verhärten bei Kälte schneller als Winterreifen und die sogenannten Ganzjahresreifen. Das bedeutet, dass der Grip des Sommerreifens abnimmt. Winterreifen bleiben auch bei Kälte geschmeidig, denn sie besitzen einen höheren Anteil an Naturkautschuk. Und je weicher der Reifen, desto besser kann er sich mit der Fahrbahnoberfläche verzahnen.

    moveon: Der alljährliche Wechsel von Winter- auf Sommerreifen und wieder zurück ist vielen Fahrzeugbesitzern eine lästige und zunehmend aufwändige Übung. Denn mit jedem Wechsel müssen auch die Reifendruck-Kontrollsensoren neu kalibriert werden. Frage: Dürfen bei der Winterreifenpflicht in Deutschland nicht auch Ganzjahresreifen gefahren werden?

    Welf Stankowitz: Ja, sie dürfen. Wenn die Reifen das Schneeflockensymbol besitzen, d. h. den Eignungstest als Winterreifen bestanden haben, gelten sie rechtlich als Winterreifen. Aus juristischer Sicht dürfen auch Winterreifen auf nicht winterlichen Straßen gefahren werden. Das ist aber aus Sicherheits- und Wirtschaftlichkeitsgründen nicht zu empfehlen.

    moveon: Durch die Lupe der Fahrsicherheit betrachtet: Welcher Reifen ist bei welchen Witterungsverhältnissen der Bessere?

    Welf Stankowitz: Unter Fahrsicherheit versteht man in erster Linie, dass ein Reifen in kritischen Situationen eine möglichst hohe Bremsleistung erzielen soll. Der DVR hat hierzu Vergleichstests* zwischen echten Winterreifen und Allwetterreifen auf schneebedeckten Straßen ausgewertet. Laut Reifenindustrie lässt sich nämlich das Verhalten der Reifen auf einer Schneedecke auch auf deren Leistungsfähigkeit bei Raureif, Eis oder Schneematsch übertragen. Darüber hinaus haben wir Bremsentests auf nassen und trockenen Straßen betrachtet.

    moveon: Warum auf trockenen Untergründen? Bei Winterreifen zählt doch in erster Linie das Verhalten auf Schnee und Matsch.

    Welf Stankowitz: Ein Großteil aller Unfälle passiert auf trockenen Straßen – im Winter wie im Sommer. Darum ist das Bremsverhalten auf dem Trockenen wichtig bei der Gesamt-betrachtung des Reifens für die Fahrsicherheit. Im Vergleich Winter- versus Ganzjahresreifen auf schneebedeckten Straßen schnitten übrigens gut drei Viertel der Ganzjahresreifen schlechter ab als die Winterspezialisten. Umgekehrt haben die Allrounder auf nassen und trockenen Belägen bessere oder gleiche Bremseigenschaften gezeigt wie die Winterreifen.

    moveon: Das heißt, wenn man in einer Region mit jährlich viel Schneefall lebt, wären echte Winterreifen die erste Wahl?

    Welf Stankowitz: Das ist richtig! Die Anzahl der Tage, an denen mit Schnee oder Eisglätte zu rechnen ist, ist schon relevant für die Wahl guter Winterreifen. Das variiert natürlich je nach Lage. In Südbayern gibt es bekanntermaßen häufiger Schnee und Frost als in Nordrhein-Westfalen. Denken Sie nur an den massiven Schneeeinbruch in Bayern und Österreich Anfang dieses Jahres. Wichtig ist auch, ob Sie zu jeder Tages- und Nachtzeit auf Ihr Auto angewiesen sind oder es bei schlechtem Wetter stehen lassen können.

    moveon: Und wie schnitten die Sommerreifen im Gegensatz zu den Allwetterreifen ab?

    Welf Stankowitz: Dieser Vergleich fällt deutlicher aus als beim Vergleich Winter- und Allwetterreifen: Im Vergleich zu Sommerreifen sind die Bremswege von Ganzjahresreifen sowohl auf nassen als auch auf trockenen Straßen in den meisten Fällen länger. Ein Beispiel: Beim Bremsen auf nasser Fahrbahn aus 80 km/h Geschwindigkeit beträgt die Bremswegdifferenz zwischen 8 und 12 m, das sind fast fünf Smarts. Wird aus 130 km/h bis zum Stillstand gebremst, ergeben sich sogar Bremswegunterschiede von bis zu 30 m.

    moveon: Eine Frage zu den Felgen: Stahl oder Leichtmetall – welche Felge ist sicherer?

    Welf Stankowitz: Aus dem Blickwinkel der Verkehrssicherheit gibt es bei normalem Gebrauch keinen Unterschied. Hier geht es eher um die Optik und um Gewicht - und da sind wir schnell beim Spritverbrauch.

    moveon: Ihr Fazit zur Reifensicherheit in einem Satz?

    Welf Stankowitz: Im Sommer sollten Sommerreifen gefahren werden und im Winter, je nach Gefahreneinschätzung, Winterreifen oder Ganzjahresreifen.

    moveon: Herr Stankowitz, wir danken Ihnen für das aufschlussreiche Gespräch.

    * Vier Tests wurden zur Auswertung herangezogen: ACE 2016, auto-motor-und-sport 2016, Autobild aus September 2016 und Auto Bild Allrad aus August 201